Berlin, den 30.8.2001

Heute um 11 rief mich meine Mutter an, um mir zu sagen, dass sie Rudra hat einschläfern lassen. Am Telefon klang sie verheult.

Sie hatte mich bereits morgens gegen 9 angerufen und darauf vorbereitet, "ein Grab zu schaufeln".

Das tat ich dann auch, gegen Mittag.

Der kleine Körper war ausgemergelt; er hatte in den letzten Wochen wohl ein halbes Kilo abgenommen. Er war noch warm.

Schon seit einigen Wochen war der Kater geschwächt; er frass kaum noch und trank auch nicht sehr viel. Eine spezielle Diät half nichts; die alte Lebhaftigkeit war nicht mehr da. Am Montag war meine Mutter mit ihm zum Arzt gegangen; der hatte einen Tropf gelegt. Das half nur kurzfristig. Heute Nacht wurden die Symptome wieder schlimmer; am Morgen fand dann der letzte Gang zum Tierarzt statt. Der Arzt sagte, es handele sich um ein Nierenversagen; eine der Nieren habe eine komische form; vielleicht Krebs.

Etwas dicklich-dunkelgelber Urin war auf die weisse Decke ausgetreten.

Rudras Grab liegt einen halben Meter vom Grab seiner Schwester Uma entfernt, die ihm mehr als drei Jahre vorausging. Er hatte einen besseren Tod; wir hatte Uma damals operieren lassen (unter ihrer Stirn wucherte es; vermutlich Knochenkrebs), aber die Operation brachte keine dauerhafte Besserung, sondern verlängerte ihr Leben nur um eine qualvolle Woche. Ein solches Schicksal wollten wir ihrem Bruder ersparen.

Rudra wurde im Frühjahr 16 jahre alt; sehr viel für einen Siam-Kater. Seine Schwester wurde nicht ganz 13; seine Eltern und sein Bruder wurden alle keine 10.

Wir hatten die beiden Katzen in dem Herbst bekommen, in dem ich endgültig nach Berlin gezogen bin. Die Katze "gehörte" mir, der Kater meiner Mutter. Damals war ich 20, jetzt bin ich 36. Rudra hat also fast mein halbes Leben begleitet.

Weder meine Mutter noch ich planen, in der nächsten Zeit wieder eine Katze anzuschaffen.